Am 12. März fand in Erfurt der 11. Narrenkongress des Landesverbandes Thüringer Karnevalvereine e.V. (LTK) statt. Dieser Kongress war nicht nur wegen der närrischen Zahl eine Besonderheit. Mit der Neuwahl des 12. Präsidiums des LTK ging eine Ära des Thüringer Karnevals zu Ende. Michael Danz, der dem LTK 21 Jahre als Präsident vorstand, trat nicht wieder zur Wahl an.
Der Redaktionsausschuss nahm das für ein Interview mit Michael Danz zum Anlass.
Micha, wie bist du zum Karneval gekommen?
Mein erster Kontakt, an den ich mich erinnere, war der Besuch eines Kinderkarnevals als kleines Kind mit meiner Oma im Löwensaal in Rudolstadt, übrigens als Cowboy verkleidet. Danach hatte ich als Konsument und auch als DJ eigentlich regelmäßigen Spaß und Arbeit im Karneval meiner Heimatstadt Erfurt. So richtig bin ich aber erst 1995 als Begleiter des damaligen Erfurter Prinzenpaars Volker I. und Sandra I. karnevalistisch durchgestartet.
Wie war dein karnevalistischer Werdegang bis zum 31. März 2001, dem Tag, an dem du zum 4. Narrenkongress zum Präsidenten des LTK gewählt wurdest?
Irgendwie ging alles sehr schnell nach meinen ersten Kontakten mit dem organisierten Karneval. Ich fand hier meine Freude und eine persönliche Herausforderung im Erfurter Karneval, konnte meine Partnerin „Biene“ dafür begeistern und so wurde ich aktives Mitglied im Anger Karneval Club Erfordia e.V. (AKC). Hier wurde ich schon 1996 Sitzungspräsident, danach Vize und übernahm den Verein dann als Präsident im Jahr 2000. Im selben Jahr begann auch meine Arbeit als Vizepräsident in der Gemeinschaft Erfurter Carneval von 1991 e.V. (GEC). Diese und die darauffolgenden Jahre war eine sehr intensive, arbeitsreiche, aber auch sehr erfüllte Zeit mit viel Freude und Spaß an der närrischen Basis in Erfurt.
Was waren deine Beweggründe, die Nachfolge von Rolf Fliedner anzutreten?
Rolf war Gründungspräsident des AKC und in der damaligen Zeit auch Präsident der GEC in Erfurt, so war ich immer schon im sehr engen Kontakt zu ihm. Sein gradliniges Handeln gepaart mit so viel Sachverstand für die Bräuche und Traditionen des Karnevals in Erfurt aber auch darüber hinaus, haben ihn sehr schnell zum „karnevalistisches Vorbild“ und Freund gemacht. Auch sein Wirken als Präsident im Landesverband Thüringer Karnevalvereine e.V. und darüber hinaus noch im Präsidium des Bund Deutscher Karneval e.V. (BDK) haben mir viele Einsichten sowie Hintergründe im Festkomplex Fasching, Fastnacht, Karneval gebracht und mich letztlich auch neugieriger auf Mehr gemacht. In mir wuchs in diesen Jahren die Begeisterung für unsere Sache und die absolute Hochachtung über den ehrenamtlichen Einsatz der vielen Aktiven in den Vereinen. Die Sache und die Menschen, die dahinterstehen, waren in meinen Augen allen Einsatz dafür wert. Rolf war letztlich auch das beste Beispiel, dass man auch auf mehreren Ebenen gleichzeitig etwas bewegen kann.
Kannst du dich noch an deine Gefühle bei der ersten Wahl zum Präsidenten erinnern?
Ich kann mich noch sehr gut an den Narrenkongress in Ilmenau erinnern. Und ganz ehrlich: Ich war sehr, sehr aufgeregt. Auch wenn ich bis dahin schon so viel in der Vereinsarbeit gelernt hatte, war die Kandidatur noch mal ein großer Schritt in noch mehr Verantwortung der Sache gegenüber. Ich war zuvor schon eine Zeitlang als Schatzmeister im LTK tätig und so fiel mir der Start in die Verbandsarbeit nach meiner Wahl zum Präsidenten nicht ganz so schwer. Zumal mir mein Vorgänger Rolf Flieder einen funktionierenden Verband übergab und auch noch mit Rat und Tat bei Fragen zur Verfügung stand. Übrigens blieb dieses aufgeregte Kippeln über die ganzen Jahre bei solchen Verbandsveranstaltungen bestehen, ich denke ein Zeichen des anhaltenden Respektes von mir vor diesem Amt.
Ein wichtiges Anliegen war und ist dir der karnevalistische Tanzsport. Was verbindet dich damit und wie hast du dich hier eingebracht?
In erster Linie gefällt mir der Tanz als fester Bestandteil unserer Programme neben Wort und Gesang in den Veranstaltungen auf der Bühne. Gerade der karnevalistische Tanz drückt die Lebensfreude der Menschen aus und wenn er dann noch als Leistungssport betrieben wird, hat er meine volle Hochachtung und über die Jahre auch alle Unterstützung. Hier finden junge Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und das Ganze noch in der herzlichen und verantwortungsvollen Obhut eines Vereines. Sie bekommen dabei doch auch so vieles mit für das Leben und ihre Entwicklung: Zusammenhörigkeitsgefühl, Gruppenverhalten, Ehrgeiz, sportliche Herausforderung, den Umgang mit Misserfolg aber auch das schöne Gefühl bei gemeinsam errungenem Erfolg. Wo wird darüber hinaus jungen Menschen eine Bühne vor vollen stimmungsgeladenen Sälen geboten und dann noch anhaltenden Applaus des Publikums nach Ihrem Auftritt? Das ist schon etwas ganz Besonderes im Karneval und das gilt es mit aller Kraft zu unterstützen. In Thüringen wurde hier seit der Wiedervereinigung viel erfolgreich bewegt und ich habe in meiner Zeit als Präsident und mit Hilfe von vielen Tanzsportbegeisterten im Tanzturnierausschuss des Verbandes immer mit unterstützt. Im Jahr 2016 wurde ich zum Vorsitzenden des Bundesverbands für karnevalistischen Tanzsport in Deutschland e. V. (BkT) gewählt und kümmere mich hier mit vielen fleißigen Mitwirkenden vordergründig um die Trainer-C Ausbildung im Tanzsport des BDK. Auf diese Weise bleibe ich auch weiterhin diesem Sport und den Tänzer*innen verbunden.
In deiner Amtszeit hast du ja vieles auf die Wege gebracht. So wurde im November 2002 das Thüringer Karnevalmuseum in Wasungen eröffnet. Was verbindet dich mit diesem Museum?
Auch wenn unser Museum in Wasungen keinen wissenschaftlichen Anspruch haben kann, ist es doch eine Möglichkeit, vielen Interessierten unsere mitunter jahrhundertealten Traditionen und Bräuche in Thüringen in dieser Ausstellung näher zu bringen. Ja wir können stolz auf einen solch fassettenreichen Karneval in unserem Freistaat sein und das muss auch letztlich zu sehen sein. Wasungen hat sich hier als Ort mit seiner eigenen, besonderen Rolle im Thüringer Karneval sehr empfohlen und der Wasunger Carneval Club e.V. unterstützt unser Museum auch mit aller Kraft. In den vergangenen Jahren haben wir unsere Ausstellung immer mehr erweitert und mit Hilfe unserer Mitgliedsvereine noch interessanter und aussagekräftiger gemacht. Mir war unser Museum immer eine Herzenssache und ich kann jeden Interessierten einen Besuch nur empfehlen.
Welche anderen Neuerungen gab es während deiner Amtszeit?
Die Aktivitäten in Fasching, Fastnacht, Karneval spiegeln auch immer den Zeitgeist der jeweiligen Epoche wider und diesen habe ich versucht in diesen 21 Jahren einfließen zu lassen, ohne dabei Traditionen oder Grundsätze aufzugeben. Es ist eine immerwährende Herausforderung und Gratwanderung für alle Verantwortungsträger in den Vereinen. Die Jugend muss einen Platz im Verein finden und sich auch zeitgemäß wiederfinden; nur dann gibt es letztlich auch eine Zukunft. Für mich war neben intern funktionierenden Strukturen und einem gemeinsamen Miteinander von Gleichgesinnten die Außendarstellung des Verbandes sehr wichtig. Dies betrifft zum Beispiel die Einführung unserer Verbandszeitschrift „Narren-Echo“, einen immer informativen und interessanten, aber auch nützlichen Internetauftritt oder auch die Einbindung der neuen Medien wie Facebook in die Verbandsarbeit. Es ist aber auch schön zu sehen, wie der 2003 eingeführte Jahresorden mit Motiven Thüringer Burgen und Schlösser bis heute so ein begehrtes Sammlerstück geworden ist. Wir haben in den Jahren auch neue Ausschüsse als Service für unsere Mitglieder gegründet und so auch im Bereich „gesprochenes Wort“ und “Gesang” eine Vielzahl von jährlichen Seminaren angeboten. Letztlich lag mir auch immer viel an gemeinschaftsförderten Veranstaltungen und so fanden unter anderen neben unserer bis 2015 stattgefundenen MDR-Fernsehsitzung „Herrliches Närrisches Thüringen“ auch Sommerfeste, Sängerwettstreite oder Ausflüge für verdienstvolle Karnevalisten des Verbandes nach Berlin statt. Ja eigentlich war immer etwas los im Verband und es hat auch allen Teilnehmern immer etwas gebracht und Spaß gemacht.
Ein „Kind“ von dir ist unsere Verbandszeitschrift, das „Narren-Echo“, die du bereits im ersten Jahr deiner Präsidentschaft auf den Weg gebracht hast. Seit 2010 erscheint diese Zeitschrift kontinuierlich einmal im Jahr. Welche Rolle siehst du in dieser Zeitschrift?
Was ist im vergangenen Jahr im Verband geschehen? Was passiert aktuell und gibt es Wissenswertes? Was ist für die Zukunft im LTK geplant? Diese Fragen standen bei den vielen Ausgaben unserer Verbandszeitschrift „Narren-Echo“ immer im Vordergrund. Es ist letztlich ein schönes und informatives Aushängeschild unserer Verbandsarbeit. Wir können auf diesem Weg zeigen, was so passiert und auch für unsere große Gemeinschaft von Gleichgesinnten werben. Das Geschehene ist damit auch festgehalten und geht in unserer doch so schnelllebigen Zeit nicht einfach so unter. Das „Narren-Echo“ ist so also auch ein wichtiges Gedächtnis unseres Verbandes.
Gibt es etwas, was du gern noch erreicht hättest, was aber leider aus verschiedenen Gründen nicht mehr geklappt hat? Ich denke hier z. B. an das „Herrlich närrisches Thüringen“, die gemeinsame Karnevalssitzung unserer Mitgliedsvereine.
Ja, das ist wirklich schade aber dieses Projekt hat leider die Corona-Pandemie gestoppt. Angedacht war eine jährliche Verbandsveranstaltungen im Erfurter Kaisersaal wieder mit dem Namen „Herrlich Närrisches Thüringen“. Die Vorbereitungen waren im vollen Gang und selbst ein Modell der neuen Bühnengestaltung hat schon existiert. Unserem Verband und seinen närrischen Leistungsträgern aus den Mitgliedsvereinen würde eine solche verbindende Programmveranstaltung unbedingt wieder guttun, wenn auch nur noch gestreamt im Internet. Schauen wir mal, aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben!
Außerhalb von Thüringen warst du ja auch sehr aktiv, sowohl innerhalb des BDK als auch bei den Treffen innerhalb der G5 (der Landesverbände Ost im BDK). Welche Funktionen hast du innerhalb dieser Gremien und was war dir bei der Zusammenarbeit besonders wichtig?
Im BDK Präsidium war ich 13 Jahre lang tätig und habe dabei immer Aufgaben an mich gezogen, um auch auf dieser Ebene etwas für den Karneval zu bewegen. So habe ich mich zum Beispiel als Koordinator für den Medienausschuss mit um die Zeitschrift „Deutsche Fastnacht“ gekümmert, drei Mal die Inter-Karneval in Köln für den BDK organisiert, habe die Sonderausstellung „Fasching, Fastnacht, Karneval in der ehemaligen DDR“ mit ins Leben gerufen sowie koordiniert und das Image-Video des BDK entwickelt und mit produziert. Wichtig war mir immer etwas für die Gemeinschaft zu leisten und die Sache weiter nach vorn zu bringen. Dies auch zusammen mit den Präsidenten der Landesverbände Ost im BDK, deren Vertreter ich ja im Präsidium war. Das vertrauensvolle und freundschaftliche Miteinander in dieser Runde habe ich dabei auch immer sehr geschätzt und es ist viel für uns Ost-Verbände dabei bewegt worden.
An welche Ereignisse, Treffen, Begegnungen innerhalb deiner Amtszeit erinnerst du dich besonders gern?
Ich habe in meiner gesamten Tätigkeit für den Karneval auch viel gesehen und erlebt, war dabei in ganz Deutschland zu Sitzungen, Tagungen und Turnieren unterwegs, habe jedes Jahr unserer Bundeskanzlerin die Hand schütteln können oder in den größten Hallen die besten Tänzer*innen im karnevalistischen Tanzsport zu den Deutschen Meisterschaften bewundern dürfen. Die Gespräche mit den Menschen und ihre Geschichten waren immer etwas Besonderes und dabei ist auch egal, ob man mit Kulturpreisträgern der Deutschen Fastnacht oder dem Kulissenteam hinter der Bühne redet. Unter der Kappe sind wir Narren nun mal alle gleich und das habe ich auch immer so gelebt – auch und gerade in den mir anvertrauten Wahlfunktionen.
Als ganz besonders habe ich immer die Vereinsbesuche in Thüringen erlebt. Diese Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Verbundenheit war immer überwältigend für mich und hat mit Kraft für die oftmals nicht einfachen Aufgaben im Alltag gegeben.
Vielen Dank an dieser Stelle, dass ich das alles erleben konnte. Es hat mir immer viel bedeutet!
Bestimmt gab es auch lustige bzw. unglaubliche Ereignisse, oder?
Ja, da gab es so einiges. Zum Beispiel wurde ich in der Dämmerung und im strömenden Regen am Ortsschild einer kleinen Ortschaft in Thüringen von zwei Tanzmariechen mit Sekt zum Vereinsbesuch empfangen, habe mit Ireen Sheer zu einer BDK Präsidialtagung gesungen oder unglaublich lecker waren auch meine Lieblingsorden aus Strackewurst, die ich verliehen bekommen habe, wobei es keiner ganz nach Hause geschafft hat. Lachen verbindet, und wir haben in den Jahren immer viel gemeinsam gelacht.
Die Luft in der Multifunktionsarena zum 11. Narrenkongress war sehr emotionsgeladen. Es war schon beeindruckend, wie der gesamte Saal deine Leistungen minutenlang mit Standing-Ovation würdigte. Wie hast du diesen Tag erlebt? Was war an diesem Tag für dich das Bewegendste?
Auch für mich war es ein ganz besonderer Tag. Gerade die Wochen davor kam so Vieles aus den 21 Jahren Präsidentschaft auf einmal wieder ins Bewusstsein. Beim Schreiben meines letzten Rechenschaftsberichtes übermannten mich schon mehrfach die Gefühle und zum Narrenkongress waren die Reaktionen der Anwesenden schon überwältigend. Mein Handeln für unsere gemeinsame Sache war mir immer eine Herzenssache und deshalb war der Abschied auch nicht so einfach für mich. Sehr gefreut habe ich mich über den Besuch des BDK Präsidenten Klaus-Ludwig Fess, sowie die Videobotschaft unseres Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Aber auch die Gespräche und Dankesworte von so vielen Karnevalsfreunden aus Thüringen an diesem Tag haben mir viel bedeutet. Schön, dass ich mich mit einem Blumenstrauß bei meiner „Biene“ bedanken konnte, denn es wird oft nicht genügend daran gedacht wie wichtig unsere Partner für unser Wirken im Ehrenamt sind.
Was wünschst du dem neuen Präsidenten mit seinem Präsidium?
Ich wünsche dem neuen LTK -Präsidenten Christoph Matthes und seinem Präsidium viel Kraft und ein glückliches Händchen, um den Karneval in Thüringen nach dieser so schweren Corona-Zeit wieder ins Laufen zu bekommen, den Verband zeitgemäß in die Zukunft zu bringen und dabei unsere Traditionen und Grundsätze zu erhalten. Das ist eine wirklich große Herausforderung in den heutigen Zeiten. Alle Anstrengungen sind es aber Wert und gemeinsam mit den 334 Mitgliedsvereinen und ihren über 30.000 Aktiven wird das auch gelingen.
Wer dich kennt, weiß, dass du noch nicht in den karnevalistischen Ruhestand gehst. Was sind diesbezüglich deine Ziele?
Als Ehrenpräsident des LTK möchte ich weiterhin mit Rat und Tat zur Stelle stehen, wenn mich das Präsidium braucht. Ich möchte auch unbedingt noch so manchen Vereinsbesuch bei Freunden nachholen und zukünftig den „Spaß an der Freude“ ein wenig entspannter genießen. Im BkT werde ich mich weiterhin für den karnevalistischen Tanzsport in Deutschland stark machen. Schauen wir mal, was das Leben auch noch so für einen „Narren im Ruhestand“ bereithält.
Wir danken Michael Danz recht herzlich für dieses Interview, die reibungslose und klar strukturierte Übergabe der Amtsgeschäfte und wünschen ihm und seiner Familie für die Zukunft alles Gute, Gesundheit und Zufriedenheit.
Als Abschiedsgeschenk überreichte der neue LTK-Präsident ein Buch in dem die Mitgliedsvereine des LTK jeweils eine Seite mit Erinnerungen und Fotos gestaltet haben. Wir denken, dieses Buch wird der “junge Alte” noch in vielen Jahren zusammen mit seinen Enkeln durchblättern und dabei von seinen Erinnerungen erzählen können.